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über
postpandemische
Architektur

Intro :

Benedikt Hartl ist Architekt und entwickelt mit seinem Münchener Büro „Opposite Office“ gerne unkonventionelle Ideen. Als sich die Corona-Pandemie Anfang des Jahres weiter ausbreitete, entwarf Hartl ein Konzept zur Umnutzung des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) in ein „Superhospital“ für Covid-19-Infizierte. Seine Idee hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt, wir fragen ihn, wie sie entstand, was ihn inspiriert hat und wie es weitergeht.

Selfie :

Benedikt Hartl während des Lockdowns auf seiner (halblegalen) Dachterrasse
in München.

Interview :

Umdenken
ist gerade jetzt
essenziell

Benedikt Hartls Konzept zur Umnutzung des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) in ein „Superhospital“ für Corona-Kranke, hat für viel Aufsehen gesorgt. Nicht zuletzt, weil er es Ende März in einem offenen Brief per Mail an Gesundheitsminister Jens Spahn schickte. Eine Antwort hat er zwar bisher nicht bekommen, spannend ist seine Motivation für unkonventionelle Ideen dennoch.

AdZ : Du arbeitest gerne an alternativen Konzepten, die bestehende Strukturen in der Architektur und Stadtentwicklung radikal hinterfragen. Was heißt das für Dich?

BH : Wir leben in einem Land, in dem bereits zu viel Fläche bebaut und versiegelt ist. Deutschland ist zubetoniert. Das heißt, die junge Generation an Architekten kann nicht mehr so weitermachen wie bisher, sondern wir müssen mit dem arbeiten, was uns die vorherige Generation überlassen hat. Ob ich will oder nicht, ich muss mich mit dem Bestand auseinandersetzen!

AdZ : Ist das Konzept des Superhospitals auch auf andere Projekte übertragbar?

BH : Ja, natürlich! Das Superhospital ist in erster Linie ein Symbol. Ein Symbol für die ökologischen Probleme und Herausforderungen der Globalisierung, für den Klimawandel, für spätkapitalistische Ruinen und für deutsche Überregulierung.

AdZ : Wie hast Du die Corona-Zeit persönlich erlebt, was hat Dich inspiriert und so als Katalysator für neue Ideen/Denkweisen gewirkt?

BH : Ich habe soziale Enthaltsamkeit an den Tag gelegt. Wer Wasser predigt, kann nicht Wein saufen.

AdZ : Was wird sich Deiner Meinung nach vor dem Hintergrund der Pandemie im Bereich Architektur/Stadtentwicklung verändern?

BH : Unsere Häuser werden bezahlbarer und nachhaltiger werden! Auch wenn ich verstehe, dass hier Zweifel und Bedenken angemeldet werden, ist es meine Aufgabe als Architekt, optimistisch zu sein. In meinem Pamphlet „Postpandemische Architektur“ zeichne ich in Form von 10 Thesen ein Bild einer „besseren“ Architektur der Zukunft.

10 Thesen :

aus dem „Pamphlet für eine postpandemische Architektur“

Benedikt Hartl :

„Wenn wir nicht wollen, dass unsere Innenstädte nach der Krise verwaisen, müssen wir architektonisch und politisch dagegenhalten.“

Pamphlet :

Benedikt Hartl erläutert und illustriert die 10 Thesen seines „Pamphlets für eine postpandemische Architektur“

Steckbrief :

wer :
Benedikt Hartl

was :
Architekt und Gründer des 2017 ins Leben gerufenen Architekturbüros Opposite Office
oppositeoffice.com

mit wem :
Thomas Haseneder, Jonas Kögl, Konstantin Gutsch

wo :
München

früher :
Studium der Architektur an der TU München, School of Architecture and Design Oslo und Ardhi University Dar Es Salaam

heute :
Architektonische Geschichten und Gebäude zeichnen, schreiben, erfinden und bauen; zu Themen wie bezahlbarem Wohnraum, Lowtech und Lowcost forschen

  • Lehrtätigkeit an der TU München, HSWT Weihenstephan, School of Architecture and Design Oslo und Academy of Fine Arts Prague

Meine Vision :

„Wir müssen spätkapitalistische Ruinen wie den BER in Zukunft umbauen und umnutzen.“

Corona Superhospital BER :

Die Renderings visualisieren ein umgenutztes Gate (oben) und eine Einzelkabine zur Versorgung der Infizierten.

Pläne :

Die Axonometrie zeigt die modularen Einheiten mit einer Verschalung aus Stahl.

Abdeckungen der
Einzelkabinen

Vorhangstangen
mit integriertem
Licht und TV

Beplankung der
Stellwände mit
integrierten
Waschbecken

Ständerwände
werden von
Messebauern
aufgestellt

Notfallbetten mit
Beatmungsgerät

Die von Benedikt Hartl vorgeschlagene Struktur zur Umnutzung des noch unfertigen BER als Corona Superhospital besteht aus modularen, zylinderförmigen Kabinen aus Stahl, die schrittweise und flexibel für jedes Gate konstruiert werden können. Ihre runde Form ermöglicht zum einen die nötige räumliche Trennung, zum anderen ein effizientes Behandeln der Infizierten.

Aktion :

Diesen Brief hat Benedikt Hartl an Gesundheitsminister Spahn geschrieben und zeigt ihn nun auf unserer Plattform erstmals öffentlich. Antwort bekam er bisher keine.

Benedikt Hartl :

„Dass eine Krise immer auch eine Chance ist, ist eine Floskel. Eine Floskel, die stimmen kann.“

Inspiration :

Was inspiriert Benedikt Hartl zu seinen Ideen? Wir haben ihn gefragt, was ihn zur Zeit beschäftigt.

Diese Kostenübersicht zum neuen Berliner Airport, die einem in Echtzeit vorrechnet, wie viel der BER die Steuerzahlenden kostet. Ziemlich eindrucksvoll. flughafen-berlin-kosten.de

Der Architekt Adolf Loos, weil er für seine Zeit sehr unkonventionell war. So reiste er 1893 mit nur 50 Dollar nach Amerika und hielt sich dort 3 Jahre als Tellerwäscher, Hilfsarbeiter, Musikkritiker und Architekt über Wasser. Architektur und Tellerwäscher passt gut zusammen, wie ich finde!

Ein Buch, das mich inspiriert: „Merlin oder Das wüste Land“, ein Theaterstück von Tankred Dorst, das Anfang der 1980er uraufgeführt wurde. Es handelt vom Scheitern von Utopien. Was mich am meisten an dem Buch fasziniert ist, dass es die ganze Menschheitsgeschichte beleuchtet. Es ist schon erstaunlich, wieviel in ein kleines Buch passt!

REMINISCENCE, ein Buch, das ich gemeinsam mit Benedict Esche herausgegeben habe. Darin liefern 100 Architekten eine überraschende, facettenreiche und anregende Tour d'Horizon über die Weltarchitektur – mit tollen Fotografien, Zeichnungen, Skizzen und Modellen. Und sehr persönlichen Einblicken in ihre Arbeit, ihr Denken und Fühlen, ihre Haltung. oppositeoffice.com/reminiscence

Das Universum rund um „Die drei ???“ Justus, Peter und Bob hat mich durch meine Kindheit geführt, aber auch jetzt bei langen Nächten, an denen wir an Wettbewerbsabgaben sitzen, hilft es mir, durch die Nacht zu kommen. Am besten sind natürlich die Originalkassetten.

Idee und Konzept: Yvonne Bauer für Herburg Weiland
Redaktion: Katharina Neumann für Bureau N
Alle Fotos und Renderings: © Benedikt Hartl/Opposite Office,
Portrait Adolf Loos/Otto Mayer/Österreichische Nationalbibliothek/
Bildarchiv Austria, Die drei Fragezeichen/Kosmos Verlag