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über die
Naturerlebnisse
2020

Intro :

In den vergangenen Monaten konnten wir eine enorme Rückbesinnung auf das Lokale beobachten – von der Lebensmittelversorgung bis hin zum Tourismus. Die Natur vor der eigenen Haustür wurde zum wichtigen Rückzugsort und die Ressourcen der Landschaften erwiesen sich als Chance, um ihren besonderen Wert neu zu erfahren. Gemeinden, Naturparks und Jugendverbände arbeiteten zusammen und riefen unter anderem die „Naturerlebnisse 2020 für Jugendliche“ mit einem umfangreichen Angebot von Workshops, Wanderungen und Bergtouren in der Region ins Leben.

Naturerlebnisse 2020 :

Während der Sommermonate ist Südtirol nicht nur ein beliebtes Reiseziel für Touristen, sondern auch Zufluchts- und Rückzugsort für die Kinder und Jugendlichen vor Ort. Hier verbringen sie ihre Sommerferien oftmals in Sommerschulen oder Sommercamps der Jugenddienste. 2020 aber war vieles anders: Als sich die Pandemie weiter ausbreitete, kamen keine Touristen mehr und auch die vielen Sommerangebote waren gefährdet.

Doch die Südtiroler reagierten schnell: Durch eine stärkere Vernetzung zwischen Gemeinden, Jugenddiensten und Naturparks wurden in wenigen Wochen finanzielle und infrastrukturelle Rahmenbedingungen geschaffen und ein breites Programmangebot entwickelt, das aus der Krise eine Chance machte: Erstmalig konnten die Sommerbetreuungen in den Natur- und Nationalparkhäusern stattfinden und somit die Bedeutung von Naturschutz und die Zusammenhänge eines gut funktionierenden Ökosystems stärker vermittelt werden.

Rieserferner Ahrn :

Im Naturpark Rieserferner Ahrn veranstaltet das Naturparkhaus in Zusammenarbeit mit dem Jugenddienst Sand in Taufers noch bis Ende August im Wochenrhythmus eine Vielzahl von Aktionen, um auf spielerische Art und Weise die Natur kennenzulernen. Jeden Tag gibt es ein unterschiedliches Programm: Vom Tag am Wasserfall, wo Wassergüte und Wassertiere bestimmt werden, übers Waldhüttenbauen bis hin zum Naturparkspiel, bei dem der Naturpark mit seinen verschiedenen Lebensräumen, Höhen- und Vegetationsstufen nachgebaut und später erläutert wird.

Lahnersäge :

Das Besucherzentrum des Nationalparks Stilfserjoch, Lahnersäge in St. Gertraud im Ultental, beteiligte sich mit einem speziellen Programm an den Kreativwochen des Jugenddienstes Lana-Tisens. So erkundeten die Kinder beispielsweise am Naturlehrpfad St. Pankraz, am Ultner Talweg und entlang des Seeweges am Zoggler Stausee den Lebensraum Wald.

Vision :

„Es geht darum, den jungen Menschen eine positive Wertebasis zu vermitteln, im Sinne von einem Verständnis für die Wichtigkeit des Erhalts unserer Natur, ihrer Lebensräume und Vielfalt, und damit auch unserer eigenen Lebensgrundlagen. Gerade die Corona-Krise hat ein gewisses Gefühl von Achtsamkeit in uns allen geschärft, das für diese Vision durchaus förderlich sein kann.“

Barbara Brugger,
Leiterin Naturparkhaus Puez-Geisler

Steckbrief :

was :
Naturerlebnisse 2020 für Jugendliche

wer :
Initiatorin ist Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer, zuständig für Raumordnung, Landschaft und Denkmalschutz in der Südtiroler Landesregierung. Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit den Südtiroler Jugendorganisationen, Gemeinden, Natur- und Nationalparkhäusern.

wo :
in den sieben Naturparks und im Nationalpark Stilfserjoch in Südtirol

wann :
Covid-Sommer 2020, insbesondere Anfang Juni bis Ende August

worum geht’s :
Nachhaltige Naturverbundenheit schaffen, indem die Corona-Krise als Chance genutzt und ein breiteres Angebot für Kinder und Jugendliche geschaffen wird, damit sie in die Welt der geschützten Natur Südtirols eintauchen können.

website :
www.jugenddienst.it
das aktuelle Programm der einzelnen Naturparkhäuser findet man am besten über
www.naturparks.provinz.bz.it

Interview :

Die Natur ist
für uns alle
überlebenswichtig.

Initiatorin der „Naturerlebnisse 2020“ für Kinder und Jugendliche ist Maria Hochgruber Kuenzer, Landesrätin für Raumordnung, Landschaft und Denkmalschutz in der Südtiroler Landesregierung. Ihre Motivation: die Sinnsuche junger Menschen während der Corona-Krise auffangen, indem vielseitige Angebote in der Natur geschaffen werden.

Bei ihrer Arbeit nutzt Maria Hochgruber Kuenzer ihre Ressourcen als Politikerin und ihre Erfahrungen als fünffache Mutter.

AdZ : Mit den „Naturerlebnissen 2020“ möchten Sie Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geben, die Natur mit und nach der Corona-Krise neu zu entdecken. Warum ist das so wichtig?

MHK : Der Kontakt zur Natur ist überlebenswichtig für uns alle. Die Zeit des Lockdowns war geprägt von Stresssituationen, besonders für die Kinder und Jugendlichen. Als politisch Verantwortliche für den Nationalpark Stilfserjoch und die sieben Naturparks in Südtirol ist es mir ein besonderes Anliegen, unsere Ressourcen der Naturlandschaften sowie der pädagogischen MitarbeiterInnen den Kindern und Jugendlichen kostenlos zur Verfügung zu stellen. Gerade Jugendliche, die erst am Beginn des Weges zu ihrem eigenen Selbst sind, finden in der Natur Anregung, Gelassenheit und Ermutigung.

AdZ : Ihre Einschätzung: Wird es aufgrund der Corona-Pandemie in Zukunft einen „anderen“, vielleicht nachhaltigeren Tourismus geben?

MHK : Ich bin davon überzeugt, dass der Gast der Zukunft nicht Massenveranstaltungen, überfüllte Städte und große Events sucht, sondern nach viel Freiraum, einer unberührten Natur und einer überschaubaren Unterkunft, denn „small is beautiful“.

AdZ : Wie kamen Sie auf die Idee, ein solches „Corona-Programm 2020“ speziell für Kinder und Jugendliche ins Leben zu rufen? Was treibt sie an und welche Ziele haben Sie sich dabei gesetzt?

MHK : Der Stilfserjoch-Nationalpark und die sieben Naturparks mit ihren jeweiligen Außenstellen sind öffentliche Institutionen und werden mit Steuergeldern finanziert.
Es ist mir ein Anliegen, dass es viele Gelegenheiten gibt, öffentliche Angebote zu nutzen, um die jeweils eigene Identität zu stärken. Als Präsidentin einer Sozialgenossenschaft für Kleinkindbetreuung mit Schwerpunkt Naturpädagogik (120 Tagesmütter betreuen ungefähr 500 Kinder monatlich), sehe ich den Wert einer qualitativen Betreuung für die Entwicklung der Kinder. Auf diesen Grund kann das Kind sein Leben aufbauen. Dieses Bewusstsein gibt mir jeden Tag Motivation und genügend Energie.

AdZ : Ihr Tipp für Eltern (als erfahrene fünffache Mutter): Wie motivieren Sie Ihre Kinder dazu, eine Wanderung oder einen Erkundungsspaziergang mitzumachen?

MHK : Auch meine Kinder waren nicht anders als andere, auch sie hatten keine Lust, längere Wanderungen zu machen... Mein Tipp: ich habe während dem Gehen immer Geschichten erzählt: erfundene Geschichten, Märchen und Räuber Hotzenplotz in allen frei erfundenen Versionen. Die Spannung in den Naturgeschichten hat die Müdigkeit vertrieben. Und auf einmal waren wir fast am Ziel.

Mission :

Maria Hochgruber Kuenzer :

Ich bin davon überzeugt, dass der Gast der Zukunft nicht Massenveranstaltungen, überfüllte Städte und große Events sucht, sondern nach viel Freiraum, einer unberührten Natur und einer überschaubaren Unterkunft, denn „small is beautiful“.

Interview :

Die Kinder von heute
sind die Gestalter von morgen!

Barbara Brugger ist Leiterin des Naturparkhauses Puez-Geisler in Villnöß, einem Tal südlich von Brixen. Sie konnte die von der Landesrätin initiierten Angebote besonders für die lokal ansässigen, einheimischen Kinder und Jugendlichen umsetzen. Zudem organisierte sie die jährlich stattfindende Aktion „Jugend auf dem Gipfel“, die 2020 ebenfalls in neuem „Corona-Format“ daherkam.

Wir haben mit Barbara Brugger gesprochen – über die Arbeit mit jungen BesucherInnen ganz allgemein und während des diesjährigen „Corona-Sommers“.

Brugger arbeitet daran, gemeinsame Programme und Aktionen mit dem Jugenddienst Unteres Eisacktal umzusetzen.

AdZ : Im Naturpark Puez-Geisler haben Sie es sich zur Aufgabe gemacht, jungen Menschen die Natur näherzubringen. Wie kann man sich das konkret vorstellen?

BB : Während des Schuljahres führe ich Kindergarten- und Schulgruppen durch das Naturparkhaus. Durch die mit jeder Saison wechselnden Sonderausstellungen ist für Vielfalt gesorgt. Ich lege Wert darauf, die verschiedenen naturkundlichen Themen altersgerecht und begeisternd zu vermitteln. Die reine Führung lockere ich daher gerne mit Kurzfilmen in unserem Bergkino, Spiel und Basteleien auf. In den Sommermonaten erhalte ich Unterstützung durch drei Naturparkbetreuer. Ich habe das große Glück, auf ein erfahrenes Team zurückgreifen zu können! Dadurch ist es möglich, in diesen schulfreien Monaten ein reichhaltiges Naturerlebnisprogramm anzubieten, teils in Zusammenarbeit mit den lokalen Tourismusvereinen. Beim „Dolomiti Ranger“ zum Beispiel erkunden die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern unter fachkundiger Begleitung die Tier- und Pflanzenwelt im Naturpark Puez-Geisler. In diesem Jahr haben wir uns auch bei „Youth at the Top – Jugend auf dem Gipfel“ beteiligt und eine Gruppe naturbegeisterter Jugendlicher in unseren Naturpark „entführt“. Aufgrund der besonderen Umstände in diesem Jahr wurde der Zeitraum von den ursprünglich für alle Länder gleich geltenden fixen zwei Tagen auf zweieinhalb Monate ausgedehnt, sodass die einzelnen Länder flexibel auf ihre lokale Situation reagieren und eigenständig Termine setzen konnten. Wir mussten auf unsere lokale Situation und die rechtlichen Rahmenbedingungen reagieren und haben die ursprünglich für 15 Teilnehmer geplante Gruppe auf 7 Personen beschränkt und im Vorfeld einen Corona-Test für diese organisiert.

AdK : Wie reagieren Kinder und Jugendliche auf das Angebot der Naturparks und wie hat sich das im Sommer 2020 vor dem Hintergrund der Corona-Krise verändert?

BB : Das Interesse an unseren Kindernachmittagen ist auffallend gestiegen. Man merkt, dass die Jugendlichen nach der langen Zeit zuhause sozusagen hungrig nach besonderen Angeboten und noch offener für neue Reize und interessante und spannende Aktivitäten mit anderen sind, selbstverständlich immer unter Einhaltung bestimmter Vorsichtsmaßnahmen. Wir mussten natürlich auch die Inhalte der Kinder-Kreativnachmittage anpassen. Zum Beispiel ist das sonst immer sehr beliebte gemeinsame Stockbrotbacken im Moment zu riskant. Zu Beginn jeder Veranstaltung besprechen wir mit den Kindern, worauf in Bezug auf die Corona-Prävention zu achten ist: Abstand, ab wann Maskenpflicht, Hände-Desinfektion. Und ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass die jungen Menschen von diesen Regeln nicht mehr abgeschreckt werden, sondern sich größtenteils daran gewöhnt haben und einfach nur froh sind, an unseren Programmen teilnehmen zu dürfen.

AdZ : Was inspiriert Sie zu Ihren Ideen für die Arbeit mit den Kindern? Und haben Sie Tipps, wie man junge Menschen am besten für Wanderungen und das Bergsteigern begeistern kann?

BB : Ich habe über Jahre in einem Herbariums-Projekt gearbeitet, das für mich zwar sehr spannend war, im Zuge dessen ich aber nur minimal Austausch mit anderen Menschen hatte. Das hat mir sehr gefehlt, weil ich grundsätzlich ein kommunikativer Mensch bin und diese Seite auch gefüttert haben möchte. Ich finde, Kinder sind leichter zu begeistern als Erwachsene. Man muss „nur“ ihre Sprache sprechen, sich zurückversetzen, wie man selbst empfunden hat. Und dass man, um zu begeistern, besser keinen Vortrag à la Frontalunterricht hält, kennen auch wir Erwachsene von uns selbst. Erwachsene sind nicht „besser“ als Kinder, wenn man ihnen ein bisher fremdes Thema vermitteln will: möglichst anschaulich, greifbar, interaktiv und heutzutage multimedial sollte es sein. Auch gleiche oder ähnliche Themen immer wieder anders anzugehen, ist wichtig, dann bleibt irgendwann auch etwas hängen.

AdZ : Die Corona-Krise als Katalysator für eine längst überfällige Rückbesinnung? Wir möchten mit Ihnen gerne einen Blick in die Zukunft werfen: Welche Vision haben Sie für das Naturparkhaus in den kommenden Jahren?

BB : Die Kinder von heute sind die Gestalter von Morgen. Dementsprechend ist es mir wichtig, den jungen Menschen eine positive Wertebasis zu vermitteln, im Sinne von einem Verständnis für die Wichtigkeit des Erhalts unserer Natur, ihrer Lebensräume und Vielfalt, und damit auch unserer eigenen Lebensgrundlagen. Gerade die Corona-Krise hat ein gewisses Gefühl von Achtsamkeit in uns allen geschärft, das für diese Vision durchaus förderlich sein kann. Auch die von allen gemachten Erfahrungen von gravierenden Einschnitten und Veränderungen im Alltag, und was das an Positivem und Negativem mit sich bringt, hat zur Bewusstseinsbildung beigetragen. Viele dieser Veränderungen hat uns zwar die Corona-Krise sozusagen aufgezwungen, die Erfahrung, dass man selbst und die ganze Gesellschaft durchaus zu Veränderungen und mehr Flexibilität fähig ist, hat aber gleichzeitig erstaunt und stimmt etwas zuversichtlicher angesichts der großen, individuell-lokal und gesellschaftlich-global anzugehenden Probleme.

Aktionen :

Im Juli konnten Jugendliche bei „Youth at the Top – Jugend auf dem Gipfel“ gemeinsam zu einem Abenteuer im Naturpark Puez-Geisler aufbrechen. Begleitet von den Betreuern ging es für die sieben TeilnehmerInnen von Wolkenstein in Gröden zur Regensburgerhütte, und am nächsten Tag nach einem richtigen „Bergsteigerfrühstück“ weiter über den Geisler und nach Villnöß hinab.

Der Naturparkbetreuer Maximilian Profanter („Maxi“) erklärt im Rahmen des „Dolomiti Ranger“-Naturerlebnisprogramms die Gipfel der Geislergruppe.

Peter Runggatscher neben seinem selbst gebauten Waldhäuschen (Kindernachmittag zum Thema „Waldbasteleien“).

Rastplatz während des Kindernachmittags zum Thema „Waldbasteleien“

Betreuer Maxi und die Kinder während einer Tour auf der Cisles- und Mastlé-Alm. Hier wurde die Welterbeterrasse bestaunt und gemeinsam die Pflanzen- und Tierwelt erkundet.

Inspiration :

Maria Hochgruber Kuenzer :

Barbara Brugger :

Linksammlung :

Naturerlebnisse 2020 für Kinder und Jugendliche
Übersicht zur Aktion und den Schwerpunkten des Sommer-Programms.

Youth at the Top – Jugend auf dem Gipfel
YAT ist ein internationales Projekt zwischen Frankreich, Italien, der Schweiz, Österreich, Deutschland und Slowenien, initiiert vom ALPARC (Netzwerk Alpiner Schutzgebiete; www.alparc.org). In zahlreichen alpinen Schutzgebieten machen sich Jugendliche auf, um gemeinsam eine außergewöhnliche Bergerfahrung zu erleben. Neben der sportlichen Herausforderung steht die menschliche, künstlerische und kulturelle Dimension der Begegnung im Vordergrund.

NATURPARKS SÜDTIROL
Die Website wird von der Provinz Bozen in Südtirol bereitgestellt und liefert Informationen aller sieben Naturparks und des Nationalparks Stilfserjoch.

Idee und Konzept: Yvonne Bauer für Herburg Weiland
Redaktion: Katharina Neumann für Bureau N
Fotos und Filme: Naturparks Südtirol; Landschaftsfotos: Sepp Hackhofer; Lahnersäge: Birgit Lösch, Alex Filz, Frieder Blickle; Steckbrief: Sepp Hackhofer; Porträt Maria Hochgruber Kuenzer: SVP/Rai Tagesschau; Porträt Barbara Brugger und Inspirationen: privat